Machina Arcana – Ein besonderes Spiel

Ein weiteres Gastreview, diesmal zu Machina Arcana, ein Spiel, das bei Kickstarter an mir vorbei gegangen ist, aber auf das ich nun doch ziemlich scharf bin. Mein Dank geht an Beckikaze, der das Review geschrieben hat und an den Erfinder Juraj Bilic, der uns erlaubt hat, das Originalartwork hier im Bericht zu verwenden.

 

Als ich Machina Arcana auf Kickstarter sah, machte das grafische Design und die Mixtur aus Steampunk und Cthulhu direkt Lust auf mehr. Es folgte eine mustergültige Kampagne voller Transparenz, unmittelbar beantworteten Fragen und auch nachträglichem Kundensupport. Man muss Juraj Bilic, dem Designer, gratulieren: Das war die beste Kickstarter-Kampagne 2014 mit Abstand.

Aber letztlich nützt es alles nichts, wenn das Spiel auf dem Tisch enttäuscht. Also – was ist Machina Arcana?

 

Iä Iä – Das Spiel

Machina Arcana ist ein kooperativer Dungeoncrawler. Aus neun auswählbaren Steampunkhelden stürzen sich 1-4 Spieler in die tiefen Schächte des heulenden Berges, um dem finsteren Grauen die Stirn zu bieten.

Der Clou: Jedes Szenario, vier an der Zahl gibt es im Spiel, ist wie ein Buch aufgebaut. Ein Szenario besteht aus mehreren Kapitelkarten, die der Reihe nach durchgearbeitet werden müssen. Am Ende eines Szenarios wartet ein Endspiel auf die erkundende Truppe – allein hier entscheidet sich, ob die Helden gewinnen oder für ewig in der Finsternis begraben werden. Stirbt ein Held, wird der Held aus dem Spiel genommen und ein weiterer Held kommt ins Spiel (sofern es Einstiegspunkte auf der Karte gibt). Sind alle Helden gestorben und kein Held steht mehr zur Verfügung, ist das Spiel zu Ende und besagte Finsternis hat sich der Heldentruppe restlos angenommen.

Immer auf der Flucht vor den Monstern
Immer auf der Flucht vor den Monstern

Die Helden müssen auf den Spielplanteilen sogenannte Kapitelfelder aktivieren, um die nächste Kapitelkarte aufzudecken um so in der Story voranzukommen. Nebenher versuchen sie, Monster zu töten, Schätze zu plündern und vor allem – zu überleben.

Während eines Szenarios haben die Spieler die Möglichkeit, zurück ins Basislager zu kehren, aber nur, wenn sie die entsprechende Kapitelkarte erreicht haben. Quicksave gibt es also nicht. In unseren bisherigen Spielrunden dauert ein Szenario gut 10 Stunden – das rettende Basislager kommt je nach Szenario in 4 Stunden. So viel vorab: Ja, es ist ein Vielspielerspiel und ja – es ist intensiv, auf hervorragende Art und Weise.

 

2 der enthaltenen Helden
2 der enthaltenen Helden

Cthulhu fhtagn – Die Mechanik

Soviel muss vorweg gesagt sein – ich kann und werde an dieser Stelle das Regelwerk nicht in Gänze erklären. Ich werde auf die mechanischen Entscheidungen eingehen, die für mich besonders herausstechen.

 

Wichtig ist nur, dass es vier Phasen im Spiel gibt. Zuerst bewegen sich die Ermittler, dann werden Proben für die Monsterspawns gemacht. Danach wird erneut überprüft, ob eine Encounterkarte gezogen wird und schlussendlich werden die Monster aktiviert.

Was lauert da wohl?
Was lauert da wohl?

 

1.) Ausdauer

Helden und Monster besitzen Ausdauerwerte zu Beginn ihrer Aktivierung. Angriffe, Aktionen und Bewegungen kosten eine bestimmte Anzahl an Ausdauerpunkten. Jeder muss also mit seiner Ausdauer haushalten und kalkulieren, um seinen effektivsten Zug pro Runde machen zu können. Besonders schön: Je stärker eine Waffe, desto höher ihre Ausdauerkosten – dadurch bleibt die Balance erhalten, weil man starke Waffen in der Regel nur einmal pro Runde abfeuern kann, dafür aber mit ihnen großen Schaden anrichtet, während kleinere Waffen häufigere Schadenssalven pro Runde austeilen können. Da die Monster ebenfalls über Ausdauer aktiviert werden, ist eine besondere Stärke des Spiels, dass sich die Monsteraktivierung organisch und natürlich anfühlt. Ein Overlord wird durch dieses System sehr realistisch ersetzt (Systeme wie in den D&D-Spielen sind dagegen ein schlechter Witz).

 

2.) Monsterspawns, Horroratings & Monsterlevel

Zu Beginn eines Szenarios bekommt es die Heldentruppe nur mit Stufe 1-Monstern zu tun. Auf jeder Kapitelkarte sind unterschiedliche Werte angegeben, für die man in der Monsterspawn-Phase pro Held einen D10 würfeln muss. Erreicht oder übersteigt man diesen Wert, spawnt am jeweils nächsten Spawnpunkt eines Helden ein Monster. Da jeder Held würfeln muss, spielt das Stellungsspiel eine große Rolle. Leichtfertig neben Monsterspawns Rast zu machen, kann schnell den Tod bedeuten. Würfelt man jedoch unter den jeweiligen Wert mit dem D10, wird das Monsterrating um einen Punkt reduziert. Der nächste Spawn wird also immer wahrscheinlicher.

Neben dem Monsterrating gibt es das Horrorrating. Einmal pro Runde wird auch hierfür ein D10 geworfen. Wird auch dieser Wert erreicht, wird eine Encounterkarte gezogen und vorgelesen. Da einige Encounterkarten direkt für das jeweilige Szenario geschrieben sind, wird hierdurch eine besonders dichte Atmosphäre erzeugt. Beispielsweise findet man Journalseiten, die allesamt als Gedichte geschrieben sind. Fantastisch!

HIer liegen die toten Helden
HIer liegen die toten Helden

Die Encounterkarten sind jedoch nicht das einzige Problem. Jedes Mal, wenn diese Karten gezogen werden, erhöht sich das Monster-Bedrohungs-Level. Erreicht diese Leiste Level 10, wird die Leiste zurückgesetzt und Stufe 2 Monster werden in den Monsterstapel gezogen.

Korrekt: Je länger die Helden brauchen, desto stärker werden auf kurz oder lang die Monster – Phänomenal. Ach und habe ich erwähnt, dass das Monster-Bedrohungs-Level auch steigt, wenn mehr als 4 Monster pro Spielplanteil gespawnt werden müssten…

 

Alte Bekannte: Die Hunde von Tindalos
Alte Bekannte: Die Hunde von Tindalos

3.) Equipment

Für die Schätze, die man entweder in Schatztruhen oder an Arbeitsplatten findet, hat sich Juraj Bilic etwas Besonderes ausgedacht. Items besitzen Upgrade-Slots, so dass man Items verschieden miteinander kombinieren kann. Zugleich weisen Items aber auch stellenweise Augment-Symbole auf, so dass man Items nicht nur in vertikaler, sondern auch horizontaler Linie erweitern kann. Ein tolles System, das für vielfältige Kombinationen sorgt. Euphorische Schreie beim Plündern von Schätzen alá „Das Item passt super zu meiner Schrotflinte“ sind da an der Tagesordnung. Unter dem Strich ist wichtig: Schätze fühlen sich wirklich als solche an – die Helden verbessern sich durch die Items spürbar.

 

Die stimmungsvolen s/w Zeichnungen sorgen für eine dichte Atnosphäre
Die stimmungsvolen s/w Zeichnungen sorgen für eine dichte Atnosphäre

4.) Essenz

Essenz ist die Grundwährung im Spiel. Mit Essenz lassen sich besonders starke Angriffe ausführen aber vor allem: Nur mit ihr lassen sich die Kapitelfelder, die ja für den Spielfortschritt maßgebend sind, aktivieren oder Monsterspawns versiegeln. Helden können gemeinsam Essenz ausgeben, um diese Dinge zu erreichen. Um Essenz aber ausgeben zu können, müssen die Helden Monster Töten und Schätze plündern ums so an diese kostbare Währung zu kommen – ohne Essenz wird es nichts mit dem Spielfortschritt.

 

Die einzelnen Kapitel werden mit stimmungsvollen Artwork eingeleitet
Die einzelnen Kapitel werden mit stimmungsvollen Artwork eingeleitet

“Ph’nglui mglw’nafh Cthulhu R’lyeh wgah’nagl fhtagn“ – Review

Machina Arcana ist ein ganz besonderes Spiel. Als ich mit dem Hobby begann, fingen mich Spiele wie Doom und Arkham Horror durch ihre tiefe Immersion und ihre schiere Wucht an Spielkomponenten, die mir ein tiefes und einzigartiges Spielerlebnis boten. Neuzeitliche Entwicklungen wie zuletzt Descent 2.0 gefielen mir weniger, weil ich zwar elegantes Spieldesign schätze, aber ich mich nicht hinsichtlich des spielerischen Anspruchs beschneiden lassen möchte.

Machina Arcana ist wieder so ein Monster wie es sie vor wenigen Jahren (vor allem von FFG) vermehrt gab. Es steckt voller Herzblut, voller Hingabe und voller Phantasie. Juraj Bilic hat ein atmosphärisch dichtes und spielerisch forderndes Kleinod geschaffen. Angefangen beim graphischen Design – unterstützt durch seine Frau Aleksandra Bilic und den fantastischen Illustrationen seines fünfköpfigen Teams – gefolgt von der dichten Atmosphäre, die durch die Kapitelkarten, das Artwork und die Encounter maßgeblich unterstützt werden und nicht zuletzt vom taktischen Anspruch auf spielerischer Seite ist Machina Arcana wahnsinnig gut gelungen. Über 60 Stunden haben wir locker bisher in das Spiel investiert und es hat nichts von seiner Faszination verloren.

HIer geht es nun um die Wurst
HIer geht es nun um die Wurst

Machina Arcana erzeugt denselben atmosphärischen Druck wie Arkham Horror in seinen besten Momenten – die Bedrohung wächst, die Chance auf den Sieg schwindet und die Verdammnis nimmt und nimmt kein Ende. Machina Arcana ist ebenfalls kein einfaches Spiel – auf BGG gibt es sogar einen Thread, in der ein User das Spiel einen depressiven Charakter nachsagt. Genau das ist es, was ich an dem Spiel unter Anderem so schätze – hier müssen Helden geopfert werden, um voran zu kommen. Es müssen riskante Entscheidungen getroffen werden um doch dem unausweichlichen Schicksal in die Arme zu laufen – dem Tod der Heldengruppe.

Motivierend für das Spielerlebnis sind die Kapitelkarten – einen solchen Storyfokus gab es zuletzt in ähnlicher Form nur in Mice & Mystics, nur, dass Machina Arcana spielerisch komplexer, fordernder und atmosphärisch (auch durch das Chulhu-Setting) packender ist. Es motiviert, den nächsten Textschnipsel zu bekommen, auf den Kapitelkarten die Illustrationen zu bestaunen und Details zu erhaschen, die auch auf der Karte beschrieben werden.

Juraj Bilic hat ein Spiel entworfen, in das er spürbar alle seine kreative Energie hinein gesteckt hat – die selbstgeschriebenen Karten, das graphische Design, die Monster, das Equipmentsystem, der fantastische Soundtrack von Mladen Konecky, das Design der Tiles, das taktische Gameplay durch die verschiedenen Feldertypen, der Storyfokus durch die auf das jeweilige Szenario zugeschriebenen Encounterkarten, der steigende Druck durch die unterschiedlichen Ratingproben usw. usw.

 

Die einzelnen Tiles sind ebenfalls sehr schön gestaltet
Die einzelnen Tiles sind ebenfalls sehr schön gestaltet

Machina Arcana ist fantastisch. Es ist ein erwachsenes Spiel, ein Spiel, das sich nicht scheut den Spielern eine Spieldauer von 10 Stunden zuzumuten. Es hält die Spannung dauerhaft aufrecht, erzeugt eine packende, dichte Atmosphäre und muss auch den Vergleich zu Atmosphärebomben wie Arkham Horror nicht scheuen. Es ist ein Spiel, das aufgrund seines Designs und aufgrund der Hingabe des Designers Aufmerksamkeit verdient. Man verzeiht dem Spiel daher auch seine große Achillesferse, die Juraj Bilic selbst eingeräumt hat: Die Anleitung ist eine mittelschwere Katastrophe. Es ist kein Myth – keine Angst, aber sie ist spürbar nicht von Leuten gegen gelesen worden, die das Spiel nicht kennen und so benötigt man einige Zeit, bis man das Spiel so spielt, wie es sich der Designer vorgestellt hat. Auf BGG habe ich zu diesem Zweck eine Regelzusammenfassung online gestellt, die den Einstieg hoffentlich spürbar erleichtert.

 

http://boardgamegeek.com/filepage/106277/rules-summary-sheet

 

Machina Arcana verdient auch deswegen besondere Aufmerksamkeit, weil es derzeit nur Backer des Projekts spielen können. Das Spiel hat es leider nicht in den Laden geschafft und finanziell war das Spiel nicht so erfolgreich, wie es hätte sein können (und müssen). Ist es deswegen vorbei mit Machina Arcana?

Drum rüste, wer die Götter zürnt...
Drum rüste, wer die Götter zürnt…

Nein. Juraj Bilic hat in Essen verlauten lassen, dass es im nächsten Jahr mit Machina Arcana weiter gehen wird. Wieweit und wann? Das kann an dieser Stelle noch nicht gesagt werden – aber es wird eine Möglichkeit geben, wieder an das Spiel heran zu kommen. Das Warten lohnt sich. Machina Arcana ist besonders. Besonders herausragend. Besonders gut.