Tequilas Welt

Mezolith von Ben Haggarty & Adam Brockbank ist eine britische Comicserie, die bereits 2010 in Albenform veröffentlicht wurde. Vorher wurde Mezolith in Episodenform in einem Kindermagazin unters Volk gebracht, ein Format, das Ältere noch eventuell in Form der ZACk oder Cobra-Comichefte kennen.

Diese einzelnen Folgen waren im Schnitt fünf Seiten lang, dies merkt man dem Album auch an, es wirkt Episodenhaft, aber, soviel sei schon mal gesagt, mit fortschreitender Dauer ergibt sich ein großes Ganzes, welches den Leser in seinen Bann zieht.

Das Album erfuhr nun in diesem Jahr eine Neuauflage, dies hat der umtriebige Verlag Cross-Cult Comics zum Anlass genommen, auch eine deutsche Variante zu veröffentlichen.

Worum geht es bei Mezolith?

Mezolith ist, wie oben schon erwähnt, eine Episodensammlung (Wobei die einzelnen Episoden länger als die üblichen fünf Seiten sind, eine Episode besteht also aus mindestens zwei der „alten Folgen“. Im Grunde ist Mezolith die Geschichte von Poika, einem Jungen auf der Schwelle zum Mann, der in der Steinzeit sein Leben in seinem Stamm fristet. Poika ist mutig, aber noch mit der Unrast der Jugend geschlagen. So kommt es, dass er öfters mal erst handelt und dann über die Konsequenzen nachdenkt.

Sein Stamm, die Kansa, sind Jäger und Sammler (So wie vermutlich jeder Stamm in der Steinzeit), dessen Häuptling sein Vater ist. Er hat noch einige ältere Brüder, seine Mutter starb bei seiner Geburt.
Das Ganze spielt im Mezolith, der Steinzeit, auf dem Gebiet des heutigen Britanniens vor ca. 10.000 Jahren.
Mezolith bringt uns gleich mitten rein in die Geschichte, Poika entdeckt einen Stier, ein im Mezolith anscheinend nicht so häufiges Tier und führt seinen Stamm zu der reichen Beute. Doch ihm wird es untersagt an der Jagd teilzunehmen. Da aber Poika, wie erinnern uns, eher schlecht im Konsequenzen bedenken ist, schleicht er sich dennoch hinterher und es endet, wie es enden muss.

Hier verlassen wir nun den Plot, damit der geneigte Leser auch selber noch etwas zu entdecken hat. Die einzelnen Fragmente dieser Saga umfassen sowohl die Erlebnisse von Poika selber, aber auch die Legenden, die sich sein Volk zu der Zeit womöglich erzählt hat. Teile dieser Legenden sind sogar so frisch, das Stammesmitglieder selber eine Rolle darin spielen.
Dies macht auch das Besondere von Mezolith aus: Man entdeckt die Welt mit den Augen eines Kindes (Apropos: Dafür, dass die Episoden in einem Comicmagazin für Kinder erschienen sind, sind die stellenweise ganz schön heftig, die Legende um Urga z.B. hätte auch eine prima Geschichte aus der Gruft ergeben.

Tiefgreifend romantisch wird es dann bei der „Schwanenbraut“, während es mit den „Raben“ eher wieder in die Gruft geht.

Storytechnisch ist Mezolith also schon mal wirklich großes Kino und ich bin jetzt schon sehr neugierig, wie es weitergeht, der zweite Band ist für Ende des Jahres angekündigt.

Wie ist Mezolith gezeichnet?

„Imposant“ ist wohl das richtige Wort. Mezolith ist detailreich gezeichnet, oftmals bis in den Hintergrund hinein und eindrucksvoll koloriert. Auch das Charakterdesign steht für sich selbst. Klar, die „normalen“ Menschen sind halt Menschen. Aber gerade die Sagengestalten sind eine wahre Augenweide. Also rein von der Wirkung her, teilweise sind diese schon gar schröcklich anzusehen!

Allein das Eingangs- und das Ausgangsbild, ein Blick über den Sumpf, im Hintergrund das Dorf des Stammes, ist ein absoluter Augenschmaus. Es wird uns zu Beginn der Blick am Tag dargeboten, am Ende sehen wir dann die Nachtansicht. Die Fülle an Details ist beeindruckend, ich habe Minuten damit verbracht, das Bild auf mich wirken zu lassen. Nicht unbedingt dass, was man in einem Comic so erwartet. Allein die Schatten, die jederzeit realistisch wirken oder so Kleinigkeiten, wie die vor jedes Kapitel geschalteten schwarzen Seiten. Hier wurde auf Details geachtet.

Nein, grafisch gibt es hier gar nichts zu meckern. Ich bin lediglich verwundert, wie man es damals geschafft haben will, jede Woche fünf Seiten auf diesem Niveau abzuliefern.

Wer steckt hinter Mezolith?

Ben Haggarty hat den vielleicht schönsten Job der Welt: Er ist Geschichtenerzähler. Dieser Kerl reist wirklich um die Welt und erzählt Geschichten. Nun gut, er hat auch eine Professur für Storytelling, aber in der Hauptsache beschäftigt er sich mit Märchen & Sagen und bietet diese Live dar.

Das dieser Mann es versteht, eine komplett neue Welt zu erschaffen, mitsamt ihrer Mythen und Legenden, verwundert da wenig.

Adam Brockbank ist im „realen“ Leben Storyboardzeichner. Dabei konzentriert er sich auf kleine B-Movies und Hinterhofproduktionen wie X-Men, Harry Potter oder den demnächst erscheinenden StarWars: Rogue One. Im Laufe dieser Karriere muss der Kerl sich eine wahnsinnige Effizienz antrainiert haben. Anders ist es nicht zu erklären, das er ein solches Comic in (relativ) kurzer Zeit erschaffen hat.

Wem ist Mezolith zu empfehlen?

Jedem, der bei einem Comic weniger Wert auf Daueraction legt, sondern Charakteren auch mal Raum zur Entwicklung gönnen mag. Dem Leser muss auch klar sein, dass er anfangs im Unklaren gelassen wird (Ähnlich wie bei Gung-Ho). Später aber es fügt sich Alles zu einem großen Ganzem.

Rollenspiele und Weltenbauer bekommen hier eine wundervolle Inspiration, wie man Mythen und Legenden erschaffen kann.

25€ sind kein Pappenstiel, dafür erhält man allerdings auch ein großes, stabiles Hardcover mit wertigem Papier im Inneren und über 90 Seiten Inhalt. Da ist man dann halt auch mal etwas länger mit beschäftigt. Auch und gerade, wenn man die Grafik auf sich wirken lässt.

Mezolith, Band 1
Hardcover, Fadenheftung

Ben Haggarty & Adam Brockbank

Cross Cult Comics

25€