DER EWIGE KRIEG von Joe Haldeman ist ein SF-Roman aus den 70er Jahren (1974, um genau zu sein), der seinerzeit mit dem HUGO und dem NEBULA-Award die renommiertesten Preise gewonnen hat, die es in dem Genre so gibt. Nun erschien dieses Jahr im Mantikor-Verlag eine Sonderausgabe des Romans, zusammen mit den Geschichten „Der ewige Frieden“ und „Am Ende des Krieges“ in einem imposanten Hardcover für den allerdings auch recht stolzen Preis von 29,95€.
Jedoch, das muss ich direkt sagen, macht der Band auch einen verdammt wertigen Eindruck, das Hardcover liegt gut in der Hand und wirkt wirklich mächtig. Das Lesebändchen ist ein Detail, das ich schon oft vermisst habe, bei einem Buch dieses Umfangs macht es auch Sinn, vor allem, wenn man wie ich, sich immer darüber aufregt, wenn Leute ihre Bücher bei einer Lesepause einfach mit den aufgeschlagenen Seiten nach unten hinlegen. Leute, hört ihr eure Bücher nicht schreien? *brrrrrr*
Der Protagonist des Romans ist William Mandella, er zählt zu den Elitestudenten seines Jahrgangs. Doch es droht ein interstellarer Krieg mit den Tauriern, daher werden je 50 männliche und weibliche Studenten seiner Güteklasse zwangsrekrutiert, um einen Schlag gegen die (vermeintlichen?) Invasoren auszuführen.
Doch schon die Ausbildung ist alles andere als ein Zuckerschlecken, bereits während des Trainings auf der Erde kommt es zu Todesopfern, ebenso während des zweiten Teils der Ausbildung auf Charon, einem Trabanten Plutos.
Bemerkenswert ist die Zeit, in der der Roman spielt, inzwischen wissen wir (wie auch der Autor im aktuellen Vorwort mit einem Augenzwinkern verrät) das 1997 KEINE interstellare Invasion stattgefunden hat. Dennoch hat der Autor, entgegen einigen vorherigen Auflagen, sich dazu entschieden, wieder die ursprünglichen Zeitangaben zu nehmen und das Ganze in einer Art Paralleluniversum stattfinden zu lassen.
Wichtig für die Romanhandlung ist die Tatsache, dass es zwar interstellare Raumflüge (dank sogenannter Kollapsare) in kürzester Zeit möglich sind, jedoch die Zeit auf der Erde wesentlich schneller voran geht, als für die Soldaten im All. So dauert Mandellas erste Dienstzeit gerade mal 2 Jahre, auf der Erde hingegen sind 23 Jahre vergangen.
Haldeman nutzt diese Zeitsprünge, um eine Dystopie der Erde zu zeichnen, wie sie in ihrer Konsequenz zwar erschreckend, aber im Hinblick auf die Gegenwart gar nicht so phantastisch wirkt. Da lag ein Jules Verne mit seinen Aussichten weit mehr daneben, allerdings hat der auch ein paar Jahre weiter in die Zukunft fabuliert.
Krankenversorgung gibt es nur noch für jene, die jung genug sind, Gewaltverbrechen sind an der Tagesordnung, kaum jemand geht ohne Bodyguard vor die Tür, Jobs sind selten und staatlich verwaltet, daher beliebte Dealerware und die Überbevölkerung versucht man in den Griff zu bekommen, indem man Homosexualität fördert, später sogar Heterosexuelle als erkrankt ansieht und versucht, diese zu heilen. In den 70er Jahren muss das noch weit befremdlicher als heute wirken, Haldeman begeht in seinem Roman aber einige Tabubrüche, die heutzutage maximal erheiternd wirken, aber zur damaligen Zeit für den einen oder anderen Skandal gut waren. So sind z.B. die Soldaten angehalten, sich jeden Tag mit wechselnden Partnern sexuell zu betätigen. Haldeman deutet dies zwar nur in Nebensätzen an, das Thema an sich ist aber allgegenwärtig.
Das der Autor Vietnamveteran ist und seine diesbezüglichen Erfahrungen in dem Roman verarbeitet, merkt man an vielen Stellen (Besonders deutlich wird es bei der Ablehnung der Bevölkerung gegenüber den heimkehrenden Veteranen, aber auch der Hilflosigkeit des Militärs gegenüber den neuartigen Strategien der Taurier), jedoch hat man nie das Gefühl, hier eine flammende Rede gegen den Krieg im Allgemeinen und Vietnam im Besonderen zu lesen, sondern halt eine Parabel, die schon in erster Linie unterhalten will.
Wir begleiten William Mandella über mehrere 100 Jahre hinweg bei seiner Karriere, die ihn bis zum Offizier aufsteigen lässt. Natürlich dauert diese für ihn wesentlich kürzer an, was dazu führt, das er, wenn er sich mal wieder als Zivilist versucht, über exorbitante Geldmittel verfügt, welche ihm eine wahrhaft hedonistische Lebensweise ermöglicht, ihn aber auch nicht zu befriedigen mag. So zieht es ihn immer wieder zurück in den Militärdienst, wo er es, aufgrund der tatsächlich vergangenen Zeit (im Gegensatz zu seiner „erlebten“ Zeit) große Fortschritte technologischer Art gegeben hat. Doch aller Fortschritt ist sinnlos, wenn der Feind einfach nicht zu fassen ist…
Der ewige Krieg ist ein faszinierender Roman, der trotz seines Alters kaum etwas von seiner Wirkung verloren hat. Es handelt sich um Hard-SF, will sagen, hier gibt es keine Warp-Sprünge und kein Holo-Deck, sondern Haldeman versucht, sein Universum innerhalb der bekannten physischen Parameter zu erklären und funktionieren zu lassen. Wer also Star Wars Romatik erwartet, sollte hier eher nicht zugreifen.
Leider kann ich noch nichts zu den anderen beiden Romanen des Bandes sagen (Wobei Der ewige Frieden eine Neuinterpretation des Themas sein soll, während Am Ende des Krieges die ursprüngliche Geschichte zu einem Abschluss bringt) erwarte aber keine qualitativen Abstürze. Schmuck ist das Buch auch noch, da kann man das Geld schon mal in die Hand nehmen, zumal es nicht von einem Verlag kommt, der die Buchhandlungen mit zig Vampirromanen überschwemmt, sondern liebevoll aufgemachte Kleinode der literarischen Art (wieder) verfügbar macht.