Abyss – Im Rausch der Tiefe von Bombyx Review

Wenn es dieses Jahr auf der SPIEL ein Produkt gab, für das der Begriff „Eyecandy“ erfunden wurde, dann dürfte das wohl ABYSS von Bombyx sein. Meine Fresse, es ist nahezu unglaublich, welch Feuerwerk die Franzosen da mit ihrem Spiel abgefeuert haben. Allein schon die Idee, das Spiel mit 5 verschiedenen Covern (und ohne Logo auf der Vorderseite) in die Spieleläden zu bringen, zeugt davon, das auch der Verlag von der grafischen Opulenz überzeugt ist.

Nur, was nützt das hübscheste Kleid, wenn die Prinzessin da drin eine elende Zicke ist?

Dies galt es festzustellen und so nahm ich mir die mit gerade mal 12 (mit reichlichen Illustrationen und Beispielen versehenen) Seiten eher übersichtliche Anleitung zur Brust und vertiefte mich in das Spiel.

Die 5 erhältlichen Abysscover
Die 5 erhältlichen Abysscover

So so, man will der Herrscher des Abyss werden und muss dafür Einflusspunkte sammeln. Wir haben es hier also mit einem Einflussspiel zu tun. Dazu gibt es diverse Möglichkeiten: Man kann Orte beherrschen, Edle für sich begeistern und Verbündete gewinnen.

Das Spielbrett besteht aus drei Regionen: Die Erkundungsleiste, der Rat und der Hof, dies alles auf dem grafisch opulenten Spielbrett.

Das Spielbrett von Abyss
Das Spielbrett von Abyss

Wenn ein Spieler an der Reihe ist, kann er zuerst einmal einen oder mehrere Edle an den Hof berufen, solang, bis alle Plätze (derer 6) besetzt sind.

Dann hat man die Wahl zwischen drei Aktionen, von denen man eine durchführen darf:

Die Tiefe erkunden, den Rat um Unterstützung bitten und einen Edlen anwerben.

Am Häufigsten wird man die Tiefe erkunden, wo man dann die Erkundungsleiste mit Karten auffüllt (eine nach der anderen) und so Verbündete aufdeckt (Ganz selten auch mal ein Monster). Wird ein neuer Verbündeter aufgedeckt, können die Mitspieler diesen erst mal einkaufen. Will niemand ihn haben, kann der Spieler am Zug ihn bekommen, oder eben offen hinlegen und die nächste Karte aufdecken. Es gibt 5 verschiedene Sorten von Verbündeten, mit einem Punktewert zwischen 1 und 5, so dass man schon mal taktiert, ob man nicht noch einen höherwertigen erhält. Den 6. hingegen MUSS man dann nehmen. Monster können, müssen aber nicht bekämpft werden, allerdings wird die Siegesbelohnung höher, je mehr Monster man auslässt und so partizipiert eventuell der nächste Spieler in der Reihe von meiner „Feigheit“. Hat der agierende Spieler gekämpft oder einen Verbündeten auf die Hand genommen, werden die offen liegenden Verbündeten im Rat abgelegt, sortiert nach ihrer Zugehörigkeit und der Zug endet.

Die Verbündeten bei Abyss
Die Verbündeten bei Abyss

Die zweite Option ist es, den Rat um Unterstützung zu bitten. Geschieht dies, nimmt der agierende Spieler ALLE Karten einer Fraktion aus dem Rat auf die Hand. Thats all…bringt halt unter Umständen richtig viele Handkarten (für die es im Normalfall kein Limit gibt).

Zu Letzt kann man noch einen Edlen anwerben. Dies hat mehrere Voraussetzungen: Jeder Edle möchte von einer Fraktion auf jeden Fall und von einer bestimmten Anzahl von Fraktionen überhaupt umworben werden. Jeder Edle hat Kosten, die mit Verbündeten von der Hand bezahlt werden müssen. Dabei muss die Hauptfraktion des Edlen beteiligt sein und eben genau so viele Fraktionen, wie der Edle es wünscht. Der Geringste der verwendeten Verbündeten bleibt wandert in die Auslage des Spielers und spielt bei der Endabrechnung noch eine Rolle.

Die verschiedenen edlen Fraktionen bei Abyss
Die verschiedenen edlen Fraktionen bei Abyss

Edle haben mehrere Funktionen:

Sie liefern am Spielende Siegpunkte

Sie haben (meistens)Fertigkeiten (die entweder beim anwerben oder ständig genutzt werden können)

Sie verfügen teilweise über Schlüssel, mit denen man Orte beherrschen kann.

Wurde ein Edler angeworben, wird überprüft, ob der Hof noch genügend gefüllt ist (d.h. ob noch mindestens 3 der maximal 6 Edlen am Hof sind), ansonsten wird aufgefüllt.

Hat ein Spieler nun eine der drei möglichen Aktionen vollführt, wird überprüft, ob sich mindestens 3 Schlüssel in seinem Besitz befinden (Diese bekommt man eben über Edle oder als Beute in einem Kampf). Wenn dem so ist, dann MUSS der Spieler die Kontrolle über einen Ort übernehmen. Dazu gibt er seine Schlüssel ab, bzw. legt die Edlen unter den Ort, die entsprechende Schlüssel haben. Diese Edlen verlieren für den Rest ihres Spiels ihre Sonderfertigkeiten, gelten aber natürlich noch für die Endabrechnung.

2 der Orte von Abyss, die es zu beherrschen gilt
2 der Orte von Abyss, die es zu beherrschen gilt

Diese tritt ein, wenn entweder ein Spieler 7 Edle angeworben hat oder der Hof nicht mehr aufgefüllt werden kann. Dann wird abgerechnet: Alle Edlen bringen Punkte, alle beherrschten Orte natürlich auch, diese bringen auch noch Bonuspunkte für bestimmte Edle (die sich auch in Fraktionen aufteilen) oder Verbündete. Ebenso bekommt man für den jeweils stärksten Verbündeten in seiner Auslage auch noch mal Punkte. Sollte man im Kampf ein sogenanntes Monsterplättchen erbeutet haben, bringt dies auch nochmal Siegpunkte.

Nicht zu komplex, Spieldauer mit ca. einer Stunde noch im Bereich kleines Spiel zu sehen und wie mehrfach erwähnt: Grafisch ein absoluter Kracher.

Das Spiel wirkt sehr stimmig, die Tiefseethematik ist super umgesetzt (Die Verbündeten sind unter anderem Tintenfische, Seepferde, Muscheln oder Krebse) und die Menge des Artworks ist schlichtweg beeindruckend. Auch das Spielmaterial ist über jeden Zweifel erhaben, viel Pappe und Perlen (die Währung im Spiel) samt Sammelschälchen bieten echten „Value for money“!

In der Optik liegt aber auch mein einziger Kritikgrund begründet: Obwohl(oder eher gerade weil) auch farblich alles aus wie einem Guss wirkt, kann man das Spiel auf einem eher spärlich beleuchteten Tisch nicht gut spielen, da man Probleme bekommt zu erkennen, zu welcher Fraktion die Edlen jeweils gehören. So kam es, das ich in meiner ersten Partie fleißig Edle der Politiker sammelte, obwohl ich für die Bonuspunkte meines besten Ortes eigentlich Händler benötigte.

Meine frühen Befürchtungen, Abyss wäre in erster Linie ein optischer Blender haben sich überhaupt nicht bestätigt, im Gegenteil. Im Gegenteil, Abyss ist durch und durch ein gelungenes Eurogame mit einem erfrischend geringen Glücksanteil und einer gewissen taktischen Tiefe. Es fordert die Spieler, ständige Aufmerksamkeit ist von Nöten. Eine Downtime ist kaum vorhanden, da entweder ein Zug superschnell vorbei ist (Unterstützung vom Rat erbitten) oder alle beteiligt sind (Erforschen der Tiefe). Lediglich beim Anwerben eines Edlen kann es mal einen kurzen Moment dauern, aber auch hier reden wir von Wartezeiten im Sekundenbereich.

Für Freunde des straighten Eurogames ist Abyss mit Sicherheit der eine oder andere Blick wert, ebenso sollten Freunde verschwenderischer Grafik hier mal genauer hinschauen.

Strategen werden hier durchaus glücklich, da aber ein Glücksfaktor kaum vorhanden ist (Selbst das Zufallselement des Kartenziehens wird durch die hohe Auswahl an offenen Karten auf ein geringes Maß reduziert), sollten die Mitspieler über ein ähnliches Spielniveau verfügen. Das empfohlene Alter von 14+ kann ich gut heißen, sind es doch unter dem Strich einige verzahnte Entscheidungen, die getroffen werden müssen.