Michael Kiske – (K)einer von uns!

Seit Wochen, Monaten, ach was, seit Jahren habe ich eigentlich vor, mich mal über Michael Kiske, Metalheld a.D., auszukotzen. Das Herr Kiske sich von der Metalszene abgewandt hat, sei ihm ja erlaubt, wo  kämen wir da hin, ziehende Vögel soll man nicht aufhalten. Wir haben auch einen Halford, einen Dickinson und gar einen Ullrich ziehen lassen. Alle davon haben danach Dünnpfiff gelabert (Die einen (Dickinson) weniger, die anderen (Halford und Ullrich) wesentlich mehr) und alle haben nach einiger Zeit in den Schoß derer zurück gefunden, die sie einst groß und finanziell unabhängig gemacht haben. Man beißt halt nicht in die Hand, die einen füttert. Und komme mir keiner mit künstlerischer Weiterentwicklung, Unabhängigkeit des Geistes und mach, was man will. Das kann man auch haben, ohne den alten Fans ans Bein zu pissen und sie als dumm und rückständig zu titulieren. Hat ja Bruce auch geschafft.  OK, andere biedern sich an (Die Rückkehr des Metal-Gods Halford…das ich nicht lache, Götter kehren nicht zurück, sie sind niemals weg), wieder andere leben nach dem Grundsatz „Was geht mich mein Geschwätz von gestern an, heute hab ich noch schlimmeres Geschwätz auf Lager“

Michael Kiske - Auf dem Rock Hard Festival 2012

Aber der Kiske, ne, also, der Michi, der ja immer einer von uns war, der hat ja seinen Glauben gefunden (Vermutlich, als er sich mal wieder den Keeper angehört hat, der ja laut Weikath Jesus sein soll) und da ging ihm auf, das der Heavy Metal gaaaaaaaaaanz böse ist und überhaupt die Metalszene so gar nicht Seins ist. Metaller per se sind alle doof und blöd und überhaupt nicht lernfähig und immer so evil drauf. Natürlich würden sie das nicht verstehen (wollen) und daher sind solche Artikel wie dieser hier per se schon mal nicht ernst zu nehmen. Das äußerte er aber nicht nur in ein oder zwei Interviews, nein, er fühlte sich bemüßigt, gleich eine ganze Reihe von Pamphleten zu verfassen, die er auf seiner eigenen Seite Geisteskind (Nö, kein Link, der bekommt keine Backlinks von mir, sucht selber, ihr faules Pack) zum Download bereitstellt. Nicht nur der Heavy Metal im Allgemeinen und der Metalfan im Besonderen bekommt da sein Fett ab, nein, uns werden auch gerne und missionarisch die Vorteile der Anthroposophie und das fabelhafte Wirken von Rudolf Steiner nahe gelegt.

Wow…vor allem sein Elaborat „Der Spiesser“ zeugt, trotz seiner inzwischen hinzugefügten Relativierung am Anfang, von echter Freundschaft und Nächstenliebe. Ich jedenfalls stehe darauf, mir „geisteskranke satanische Auswüchse“ unterstellen zu lassen, weil ich Metal höre, liebe und lebe. Und Überhaupt: Ich habe ja gar kein Recht, über Kiskes Werk Kritiken zu verfassen, ich darf, laut ihm, eigentlich nur objektiv beschreiben, was er (oder andere Künstler) erschaffen haben. Eine Unart, die es vor allem in der Metalszene zu Hauf geben soll. Es ist auch eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, das Fans eine Erwartungshaltung gegenüber ihrer Faves haben.

In einem hat Kiske sicherlich recht: Jeder Künstler hat das Recht und die Freiheit, das zu tun, wonach ihm der künstlerische Sinn steht. Jeder Fan und jeder Kritiker hat aber genauso das Recht, das, was der Künstler macht, einfach kacke zu finden und das auch noch zu sagen.  Jedenfalls hat Kiske es nach seinem Ausstieg bei Helloween nicht mehr geschafft, mehr als Achtungserfolge zu erringen. Selbst diese sind Mangelware, de facto ist nach seiner Trennung von Kai Hansen nichts mehr gekommen, das einen Langzeitwerk aufweist, zumindest nicht für die Massen. Natürlich kann/soll/muss das nicht das Ziel eines Künstlers sein, die Massen zu befriedigen, aber dann soll derjenige auch nicht rumwimmern, wenn er die Massen nicht mehr erreicht, oder?

Kiske brach mit der Metalszene und das ziemlich eindeutig und endgültig. Sein Ding, kein Problem, soll er nach seiner Fasson glücklich werden. Vorher stellte er sich noch auf ein Podest, zog blank und entleerte seine Blase über all jene, die ihm seine künstlerische Unabhängigkeit überhaupt erst ermöglicht haben. (Btw.: Wäre es nicht konsequent gewesen, seine Royalities, die er für sein Wirken mit Helloween erhalten hat, einem guten Zweck zuzuführen, um so ein wenig des von uns so bösen Satanisten verursachten Unheils wieder zu kompensieren?) Unfassbar, das er dabei noch zustimmendes Nicken erhielt, vorzugsweise aus der Ecke jener, die eh so viel Metal sind, wie mein alter Klassenlehrer. Alles verkappte Golden Shower Fans, ey…

Nun ja, dann war er erst mal weg, tauchte ab und an mit Bands wie SupaRed oder Place Vendome aus der Versenkung auf, wurde dafür von einem eher kleinen Fankreis gefeiert und verschwand wieder dahin, woher er gekommen war: In der künstlerisch für ihn befriedigenden, kommerziell aber enttäuschenden Bedeutungslosigkeit.

In all der Zeit schafften es seine alten Wegbegleiter sich entweder locker flockig zu etablieren (Gamma Ray sind streckenweise schon eine geile Band)  oder komplett zum Vollhorst zu machen (Schulligung, aber was Andi Derris mit den Helloween-Klassikern da anstellt, geht nur knapp nicht als Körperverletzung durch)

Dann kam Tobias Sammet und schleppte Kiske für sein Avantasia-Projekt in ein Studio und schließlich auch noch auf die Bühnen der Welt. (Ja, manchmal hat Sammet was vom Antichristen, was eine Zusammenarbeit zwischen ihm und Kiske eine gewisse Würze verleiht). Prompt entdeckt Michi, das Metal doch nicht ganz so übel ist, weil er ja ganz viele, ganz dolle Menschen kennen gelernt hat, die einfach nur gute Musik lieben.

Da muss aber flugs eine Band her, damit er seine künstlerische Ader wieder ausleben kann und es darf auch diesmal ruhig wieder ein wenig metallischer zugehen. Überhaupt, wenn der Hansen da noch mit dabei wäre, dann wird das ganz bestimmt ganz doll.

Überraschung…der Hansen IST mit dabei…und der Titeltrack des selbstbetitelten Unisonic-Debuts ist noch dazu ein echter Metalkracher. Ok, der Rest ist handwerklich tolle, aber metalmäßig gesehen vollkommen belanglose, Konsensmucke.

Da müssten sich doch dennoch ein paar schlanke Euros aus den Taschen unserer Golden Shower Fans ziehen lassen, oder? Das wird ausprobiert:  Da gibt es doch das Rock Hard Festival, die freuen sich bestimmt, wenn wir da auftreten. OK, da spielen Turbonegro, die einen auf homosexuell machen und die bitterbösen Hell, die ganz doll blasphemische Songs haben, aber das ist ja egal, man will ja nicht päpstlicher als der Papst sein, nech? (An dieser Stelle ein Zitat aus „Der Spiesser“: „In meinen Augen ist die Heavy-Metal-Szene … die nervigste, spießigste und toteste Musikszene auf Erden…“)

Diesem Nestbeschmutzer, der nun wirklich sich alle Mühe gemacht hat, uns zu sagen, was er von uns (fast) allen hält, kommt nun zu einem Ort, der schon sehr extrem metallisch ist. Eigentlich sollte man erwarten, das ihm aus dem Rund des Amphitheaters 14.000 Stinkefinger entgegen gereckt werden und ein Pfeiffkonzert ungeahnten Ausmaßes sich Bahn bricht.

BULLSHIT

Das Gros der Leute stand da und wartete darauf, das Kiske ihnen mit einem süffisant-arroganten Grinsen sein Gemächt ins Maul hält und schön warm laufen lässt.

Bevor wir uns falsch verstehen: Kiske hat es immer noch drauf, Gesanglich gibt es an dem Gig rein gar nichts zu deuteln und die Helloweenklassiker I Want Out, Future World und March Of Time wurden auch von mir mitgewippt. Ging ja nicht anders. Aber das man kollektiv dem Wahnsinn verfiel und diesem Nestbeschmutzer (sic!) so abfeierte, das will nicht in meinen Schädel. Ist das kollektive Gedächtnis der Metalszene ein solches Sieb oder stehen wir alle so sehr darauf, dass man uns ankackt?

Die Foren von Metaldeutschland sind voll des Lobes, keiner redet davon, das Kiske keinen Bock mehr auf uns hatte und wir in seinen Augen doch größtenteils Geisteskrank sind (Aus dem Mund eines bekennenden Anthroposophen ist das schon fast Comedy).

Naja, lebt weiter, als Lämmer, die sich willig zur Schlachtbank führen lassen. Ihr habt es schon immer gewusst: Kiske war schon immer einer von uns….

 

Falls es jemanden interessier, dann findet er HIER mein Review zur Scheibe…


2 Responses to Michael Kiske – (K)einer von uns!

  1. #4: 22.10.2012 – RE: (K)einer von uns usw. (???)

    Hast du mal gelesen wie er die Abkehr von der Metal-Szene erklärt? Er hat seine Äußerungen, die dich offensichtlich so ärgern doch sehr stark relativiert.
    Oder ist das Thema für dich abgeschlossen : „Kiske hat einige Dinge gesagt, mir auch egal warum, und jetzt ist er für alle Zeiten scheiße“ ??
    Zumindest hast du einiges an Kunstfertigkeit in deinem Artikel an den Tag gelegt. Rückt dich eigentlich schon wieder in seine Nähe! True emotions, true art: to kill sounds like these we wouldn´t dare. Oh Mann !

    • Kiskes Relativieren muss man allerdings auch wieder relativieren…er hat zwar einige AUssagen abgeschwächt, andere jedoch nochmals unterstrichen und sogar verschärft…

      Insofern: Ja, Kiske ist für mich in der Tat gestorben…