Ohne Rücksicht auf Verluste, so der Titel des zweiten Gung Ho Bandes liegt endlich vor mir und das, wie angekündigt, in der Vorzugsausgabe. Eine Mehrinvestition, das kann ich schon mal Vorausschicken, die sich auf jeden Fall lohnt!
Schon der erste Gung Ho Band hatte mich ja sehr begeistert, um so erfreuter war ich, dass meine Bestellung von Band 2 (Gung Ho 2 – Ohne Rücksicht auf Verluste) noch vor den Weihnachtsfeiertagen bei mir eingetrudelt ist. Frisch ans Werk also und die Weihnachtszeit genutzt, sich mal in der 9. Kunst fortzubilden.
Ohne Rücksicht auf Verluste ist erst in diesem Jahr erschienen und das ist zugleich mein größter Wermutstropfen: Mit Band 3 der Gung Ho Saga ist erst 2017 zu rechnen. Verdammt lange Zeit, vor Allem, wenn man bedenkt, wie gut und spannend sich die Story entwickelt und man wirklich danach lechzt zu erfahren, wie es weiter geht. Aber ich greife vor …
Benjamin von Eckartsberg (Text) und Thomas von Kummant liefern mit Gung Ho 2 – Ohne Rücksicht auf Verluste fürwahr wieder ein fabelhaftes Comicalbum vor, das vorbehaltlos begeistern kann. Man kann dem Verlag Cross Cult gar nicht genug Dank sagen, sich ein derart zeitintensives Projekt ans Bein zu binden.
Die Story von Gung Ho 2 – Ohne Rücksicht auf Verluste
Die Story dreht sich natürlich weiterhin um die beiden Waisen Archer und Zack. Archer ist immer noch der kleine Revoluzzer, dem vor Allem sein eigener Spaß am Herzen liegt, den er ohne Rücksicht auf Verluste genießt. Doch liegt der Fokus in diesem Band nicht auf Archer, sondern auf seinem kleinen Bruder Zack, der sich nicht weniger für das andere Geschlecht interessiert, dieses aber nicht als reine Trophäe sieht, sondern seinem Herzen folgt.
Nach den Geschehnissen im ersten Band gilt Zack bei den Mädels in Fort Apache als Held, was natürlich Holden und seiner Gang Halbstarker ein Dorn im Auge ist. Besonders, als Yuki, die Tochter des neuen Kampflehrers im Fort ankommt und so ziemlich jedem Jungen die Augen verdreht. Aus einem jugendlichen Balzritual wird ein ungeplanter Ausflug in die Gefahrenzone, wo es dann zu einer Katastrophe kommt. Hier wird der Titel des Bandes Ohne Rücksicht auf Verluste bittere Realität.
Nun, eigentlich ist es bereits die zweite Katastrophe dieses Bandes, schon vorher erreichte ein Versorgungszug aus der Stadt nicht sein Ziel, Kenner des ersten Bandes bemerken schon, dass das Tempo deutlich angezogen hat.
Was macht Gung Ho 2 – Ohne Rücksicht auf Verluste anders als der erste Band?
Nachdem im ersten Band der Leser über die wahre Natur der Bedrohung im Unklaren gelassen wurde (Man sogar eine „Zombieszene“ eingebaut hat, weil man als Leser eh schon in diese Richtung gedacht hat), brauchte man sich bei Ohne Rücksicht auf Verluste nicht mehr um den Suspense kümmern, sondern kann direkt in die Vollen gehen.
Die Reißer sind wesentlich präsenter, einfach Allgegenwärtiger. Es wird klarer, das sie nicht nur tumbe Raubtiere sind, sondern mit Struktur auf die Jagd gehen. Die Reißer verfügen offensichtlich über eine Art Clanstruktur, in der jeder seine eigene Aufgabe hat. Somit erhalten die Reißer einen Hintergrund, der neugierig darauf macht, mehr von ihnen zu erfahren.
Doch die Reißer sind offensichtlich nicht die einzige Gefahr, die außerhalb Fort Apache lauert. Eine dritte Fraktion „feiert“ ihren Einstand, bisher aber lediglich aus dem Hintergrund. Doch auch diese verfolgen ihre Ziele ohne Rücksicht auf Verluste.
Was bringt die Vorzugsausgabe von Gung Ho 2 – Ohne Rücksicht auf Verluste?
Zunächst einmal einen Mehrpreis, mit 35€ zahlt man 13€ mehr gegenüber der Normalausgabe. Eine Differenz, für die man auch schon ein komplettes Album erhalten kann. Dennoch habe ich die Ausgabe keinen Moment bereut. Das alternative Cover spoilert zwar eine der rasantesten Szenen aus Ohne Rücksicht auf Verluste, sieht aber fantastisch aus. Das umfangreiche Bonusmaterial besteht zum einen aus einem Interview mit den beiden Künstlern, das interessante Einblicke in die Erschaffung von Gung Ho und die Entstehungsweise von Comics bietet und zum anderen eine Strecke an Illustrationen, die andere Künstler erschaffen haben und so Gung Ho in ihrem eigenen Stil interpretieren.
Abgerundet wird der Bonusteil von Gung Ho 2 – Ohne Rücksicht auf Verluste durch den Einblick, wie sich die Geschichte vom Szenario, übers Storyboard bis hin zur fertigen Seite entwickelt. Thomas von Kummant arbeitet hier mit Methoden, die man in erster Linie bei Filmemachern vermutet.
Was bietet Gung Ho 2 – Ohne Rücksicht auf Verluste grafisch?
Gung Ho lebt von seinem klaren Layout. Dieses ist zwar nicht vollkommen starr, aber bewegt sich in einem eng gesetzten Rahmen. Die Bildgewalt hingegen, vor allem die teilweise extrem aufwändigen Hintergründe, ist wirklich beeindruckend. Auch die Charaktere sind detailliert ausgeführt, man erkennt sie auf Anhieb und ihnen wohnt eine Dynamik inne, die eine derartige Geschichte auch benötigt. Wie im Interview in der Vorzugsausgabe von Gung Ho 2 – Ohne Rücksicht auf Verluste deutlich wird, entstehen diese Grafiken komplett digital. Dies jedoch derart gekonnt, das man einen herkömmlichen Pinselstrich nicht anzweifeln würde.
Mein Fazit zu Gung Ho 2 – Ohne Rücksicht auf Verluste
Am ersten Band hat mich ja besonders die Zeit fasziniert, die Bejamin von Eckartsberg sich lässt, um seine Geschichte, seine Charaktere zu entwickeln. Diese Zeit benötigt er nun nichtmehr, die Charaktere und die Welt ist eingeführt. Dennoch bleibt Gung Ho 2 –Ohne Rücksicht auf Verluste ein Comic, das eben nicht nur die Handlung vorantreibt, sondern sich auch für kleine Nebenstories, fast schon Vignetten, die notwendige Zeit nimmt. Wenn Archer sich z.B. künstlerisch betätigt, dann bleibt kein Auge trocken.
Gung Ho entwickelt sich zu einer Geschichte übers Erwachsenwerden in einer Welt, in der man keine Zeit dafür hat. Die äußeren Umstände zwingen die Heranwachsenden, sich mit eben jenen Umständen zu arrangieren, da man ansonsten auf der Strecke bleiben wird. Dennoch muss jeder versuchen, sich seine Freiräume zu erkämpfen, sich einen Hauch Individualität zu bewahren.
Damit sehe ich Gung Ho in der Tradition von Filmen wie „Der Club der toten Dichter“ oder „Herr der Fliegen“, nicht vom Inhalt, aber ganz klar von der Intention her.
Ich bleibe dabei: Gung Ho ist auch mit dem vorliegenden Band Ohne Rücksicht auf Verluste ein Kandidat, der in jede ernstzunehmende Comicsammlung gehört. Ich bin mir auch ziemlich sicher, das, wenn es ein US-Amerikanisches Comic wäre, schon lange eine Verfilmung in Planung wäre. Das Potential dazu hat die Geschichte jedenfalls.